Mittwoch, 29. Mai 2013

Bac Ha

Bac Ha ist ein kleines Städtchen in den Bergen Nordvietnams, wie es sie zu duzenden gibt. Während sechs Tagen in der Woche ist hier auch genau so wenig los wie in den anderen Ortschaften, doch einmal in der Woche, am Sonntag, erwacht Bac Ha aus seinem Dornröschenschlaf und ist Schauplatz eines der schönsten und farbenprächtigsten Märkten in Vietnam. Dies ist vor allem den Flower H'mong Frauen in ihren prachtvollen Trachten zu verdanken, die am Sonntag von überall in der Region kommen, um ihre Waren anzubieten. Wir wollten uns die Möglichkeit, einen traditionellen Markt zu sehen, natürlich nicht entgehen lassen, da wir uns in der Region aufhielten. Die Reise nach Bac Ha wird uns aber ebenso in Erinnerung bleiben wie der Mark selbst. Doch alles der Reihe nach: 
Da der Markt mittlerweile auch für Tagesausflügler von Sapa, das vier Autostunden entfernt liegt, sehr beliebt ist, und diese ab spätestens 10 Uhr den Markt bevölkern, dachten wir uns, es wäre von Vorteil, schon am Samstagabend nach Bac Ha zu fahren, um am Sonntagmorgen früh aufzustehen und den Markt ohne Touristen zu geniessen. Aus diesem Grund machten wir uns am Samstagmittag in Sapa auf den Weg. Die erste Herausforderung besteht darin, einen Minibus zu finden, der einem für einen fairen Preis nach Lao Cai bringt, wo man dann den Linienbus nach Bac Ha nimmt. Der letzte fährt um drei Uhr Nachmittags, deshalb planten wir bereis um 12 einen Minibus zu suchen, damit wir dann auch bestimmt um drei Uhr in Lao Cai sind. Um halb eins sassen wir im Minibus und dachten, es könne nichts mehr schief gehen - doch weit gefehlt! Die unfreundliche Frau, die das Geld kassiert und nach Passagieren sucht, die ebenfalls nach Lao Cai gehen, um ihren Minibus möglichst voll zu bekommen, hat es geschafft etwa 1.5 Stunden in Sapa Runden zu drehen, in der Hoffnung den Bus vollzustopfen! Es ist ihr dann auch gelungen; schlussendlich wurden wir mit mehr als 20 Personen und Unmengen an Gepäck in einem kleinen Bus zusammengepfercht. Das ginge ja noch, doch als wir endlich losgefahren sind, war es schon so spät, dass wir wussten, dass wir den Bus wahrscheinlich verpassen werden. Diese Lady hat uns beide unglaublich sauer gemacht, denn wir haben zuvor schon einige Male gesagt, sie müsse losfahren, damit wir den Bus nicht verpassen, worauf sie nur gesagt hat: " ok, ok, we go now". Den Bus haben wir natürlich verpasst und wurden am Bahnhof regelrecht aus dem Minibus geschmissen. Wir wussten, dass es keinen anderen Bus nach Bac Ha mehr gab an diesem Tag und die Frau hinter dem Tickerschalter in Lao Cai sah auch nicht besonders hilfsbereit aus, so dass wir schon befürchteten, dass unsere letzte Option das 60 Dollar teure Taxi ist. Doch ein alter Mann, der auf den ersten Blick nicht sehr vertrauenswürdig aussah, hat unser Problem schnell durchschaut und wollte uns helfen. Zuerst bot er uns an ein Motorbike zu organisieren, was angesichts unseren Mengen an Gepäck nicht möglich war. Dann griff er zum Telefon und keine zwei Minuten später stand ein alter, total verlotterter Bus mit dem Schild Bac Ha vor dem Bahnhof. Wir haben unseren Augen nicht getraut! Es hat sich herausgestellt, dass dieser Bus kein Linienbus ist, sondern einer für die lokale Bevölkerung, der nicht mal am Bahnhof, sondern nur ausserhalb der Stadt hält. Kurz darauf sassen wir im Bus, wo es zwar weder Klimanlage noch bequeme Sitze gab, doch wir waren einfach nur froh, nach Bac Ha zu kommen. Wir wurden ziemlich neugierig beobachtet und es scheint als ob diese Menschen nur sehr selten in Kontakt mit Touristen sind. Der holprige Bus fuhr dann über eine noch holperige Bergtrasse nach Bac Ha, wo wir beim Einbruch der Dunkelheit ankamen. Beinahe wären wir noch in einer Kopie unseres Hotels gelandet, doch am Ende kam alles gut. Was für ein abenteuerlicher Start unseres Aufenthalts in diesem sympathischen Städtchen.   
Am nächsten Morgen mussten wir uns zwar regelrecht aus dem Bett quälen, doch es hat sich sehr gelohnt. Das gesamte Zentrum der Stadt hat sich über Nacht zu einem riesigen Markt verwandelt, wo man Fleisch, Früchte, Gemüse, Souvenirs, Kleider, Kühe, Hunde, Hühner, Pferde und sogar Vögel findet. Der Markt strahlte schon um 7 Uhr Morgens eine unglaubliche Geschäftigkeit aus und wir mischten uns unter die farbenfrohen Flower H'mong Frauen und sahen dem faszinierenden Treiben zu.  


















ich frage mich, wer wohl einen Schweinekopf kaufen möchte...?


Nudelsuppe zum Frühstück
Zuckerrohr









Der Markt, der auch ein wichtiger sozialer Treffpunkt für die Menschen aus den umliegenden
Dörfern ist, gab uns einen wertvollen Einblick in die Kultur der Flower Hmong. Ich war froh, dass wir früh gekommen sind, denn ab neun Uhr füllte sich der Markt immer mehr mit Touristen und das authentische Ambiente ging ziemlich schnell verloren und plötzlich wurde rundherum nur noch französisch und englisch gesprochen. Kurzerhand mieteten wir dann ein Motorbike und erkundeten die ländliche Gegend um Bac Ha. Die Menschen in diesem Gebiet leben grösstenteils von der Landwirtschaft und die harte Arbeit zeichnet ihre Körper und Gesichter deutlich. Im Vorbeifahren sahen wir viele alte Frauen mit einem Buckel und schlechten Zähnen, doch alle von ihnen schenkten uns ein Lächeln. Obwohl wir uns nicht mehr als etwa zehn Kilometer ausserhalb von Bac Ha befanden, sind westliche Touristen hier eine kleine Sensation. 












Am Montagmorgen lag das Städtchen wieder in seinem Dornröschenschlaf und es waren kaum noch Menschen auf der Strasse zu sehen. Bei der Rückkehr nach Lao Cai hat es dann einwandfrei geklappt mit dem Bus und wir mussten uns nur etwa 3 Stunden am Bahnhof um die Ohren schlagen, bis endlich unser Nachtzug zurück nach Hanoi fuhr.
Eine Reise in die Bergstädte Sapa und Bac Ha ist zwar wegen der noch nicht so gut ausgebauten Infrastruktur etwas lang und umständlich, doch hat man das Ziel erst einmal erreicht wird man mit einer einzigartig schönen Berglandschaft, Reisterrassen und natürlich vielen spannenden Begegnungen mit den Hmong belohnt.
Wir verbrachten nur eine Nacht in der Hauptstadt Hanoi, bevor wir am Tag darauf bereits wieder unsere Sachen packten und unsere lange Reise in Richtung Süden antraten.

Samstag, 25. Mai 2013

Sapa

Morgens um 7 Uhr erreichten wir ziemlich müde von der wenig erholsamen Nacht im Zug den Bahnhof von Lao Cai. Hier ist Endstation für den Zug, denn Sapa ist eine kleine Stadt in den Bergen, die keinen eigenen Bahnhof besitzt. Die restlichen Kilometer bis nach Sapa legt man im Auto, auf dem Motorbike oder im Minibus zurück. Kurz vor dem Ziel wartet dann die grösste Herausforderung für alle Reisenden am Bahnhof von Lao Cai in Form duzender Taxi-, Minibus- und Motorbikefahrern. Glücklicherweise wurden wir vor den dreisten, aufdringlichen und skrupellosen Leuten gewarnt, die in den Zug springen, sobald dieser angehalten hat, um Jagt auf potentielle Kundschaft zu machen. Für uns ist diese "Begrüssung" ohne Probleme abgelaufen, da wir bestens informiert waren, welche Preise für die Strecke angemessen sind. Einige Minuten später sassen wir im Bus nach Sapa und genossen den wunderschönen Ausblick während der Fahrt. 
Die Stadt liegt auf 1600 Höhenmeter im Hoang Lien Gebirge, einem östlichen Ausläufer des Himalaya, nahe der chinesischen Grenze. Auch der höchste Berg Vietnams, der 3100 Meter hohe Fansipan befindet sich nur wenige Kilometer von Sapa entfernt. In der Region leben viele ethnische Minderheiten, die heute noch einen traditionellen Lebenstil pflegen und das Landschaftsbild mit ihren Reisterrassen prägen. Zu den bekanntesten gehören die Black H'mong, Red Dzao und Tay Minderheiten. Da in den letzten 10 Jahren immer mehr Touristen nach Sapa kamen, haben sich viele Frauen der Bergvölker aufs Verkaufen von Souvenirs spezialisiert, so dass man heute als westlich aussehende Person oft von ihnen angesprochen und in ein Gespräch verwickelt wird, damit man ihnen danach etwas abkauft. Auch Reisebüros, die geführte Trekkingtouren durch die Berge anbieten, sind wie Pilze aus dem Boden geschossen. Bei vielen Firmen bedeutet eine "geführte Tour" aber lediglich, dass ein "Guide" voraus läuft, der kein Wort Englisch spricht und man deshalb nichts über die Menschen und ihre Lebensweise lernt. Diese Enttäuschung wollten wir vermeiden und haben daher bei einem kleinen, lokalen Veranstalter, der jungen H'mong Menschen eine Ausbildung und einen sicheren Arbeitsplatz bietet, eine Trekkingtour gebucht. Obwohl wir trotz der vielversprechenden Tour immer noch ein wenig skeptisch waren, haben sich jegliche Zweifel in Luft aufgelöst als wir am nächsten Tag unseren Guide Peng kennengelernt haben, die uns für einen Tag durch die umliegenden Dörfer geführt hat. Sie ist kaum grösser als 1.50 m, 23 Jahre alt und die liebenswerteste Person, die man sich nur vorstellen kann. Eigentlich habe ich mich vor allem auf die schöne Landschaft auf der Wanderung gefreut, doch jetzt erinnere ich mich vor allem an unsere Begegnung mit Peng.
Nachdem die üblichen Fragen, die einem jede H'mong Frau stellt, (where are you from? what is your name? how old are you? are you married?) geklärt waren, erzählte sie mir von ihrer schwierigen Vergangenheit mit ihrem Ex-Mann, der sie geschlagen und bedroht hat aber auch von ihren Hobbies, ihrem Sohn, ihren Freunden und natürlich auch viel über ihr Volk, die Black H'mong. Wir verstanden uns so gut, als ob wir alte Freundinnen wären und haben während der Wanderung viel zusammen gelacht und geplaudert. 














Peng und Ich 

ja,sie ist wirklich klein...;)
Die Black H'mong Frauen, in ihrer typischen Tracht aus schwarzen und blauem Stoff, waren allgegenwärtig, als wir mit Peng durch die Dörfer gelaufen sind und mir ist aufgefallen, welch harte Arbeit diese Frauen verrichten. Sie tragen Körbe mit etwa 25 Kilogramm Holz, Reis oder anderen Waren und scheinen viel mehr zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen, als die Männer. Diese sitzen oft auf den Strassen oder in Cafés und rauchen oder trinken. Die schwere Arbeit, die die Frauen (neben der Kindererziehung) bewältigen, spiegelt sich auch in der sozialen Rangordnung wieder, denn Frauen sind hier nicht "minderwertig", im Gegenteil, sie wissen ganz genau, was sie wollen.








Die H'mong Völker sind eine ethnische Minderheit, deren Wurzeln in China und der Mongolei bis 4000 Jahre zurückgehen. Neben den Black H'mong gibt es auch andere Stämme, die sich vor allem durch ihre Bräuche und Kleidung voneinander unterscheiden. Nachdem die H'mong Völker in China von den dort lebenden Han-Chinesen immer mehr zurückgedrängt wurden, wanderten viele von ihnen nach Thailand, Vietnam und Laos aus, wo sie heute vor allem in Berggebieten leben. Einige von ihnen wurden aber während der Indochinakriege aus ihrer Heimat vertrieben und flüchteten nach Amerika, Europa und Australien. Insgesamt gibt es zur Zeit etwa 4 Milionen Menschen, die der H'mong Ethnie angehören. Die H'mong, die sich selbst als "freie Menschen" bezeichnen, leben in grossen Familien und Sippen, die Essen, Haus, Felder und Tiere miteinander teilen und sich in schwierigen Zeiten unterstützen. Rat wird meistens bei der älteren Generation gesucht, die besonders respektiert und angesehen ist. Obwohl die H'mong nicht einer bestimmten Religion zugeordnet werden können, praktizieren sie teilweise den Bhuddismus, Taoismus, Ahnenkult und verehren Naturgeister. 



          

          

Die Wanderung mit Peng hat uns beiden sehr gut gefallen und wir haben viel Interessantes über dieses Volk gelernt. Doch in Sapa gibt es neben den Bergvölkern auch wunderschöne Natur, herrliche Passtrassen und Wasserfälle zu erkunden. Aus diesem Grund beschlossen wir, ein Motorbike zu mieten und uns auf die Suche nach diversen Wasserfällen zu machen, die etwas ausserhalb von Sapa liegen. Die Fahrt führt über eine Passtrasse nahe an der chinesischen Grenze entlang und es ist allein wegen des Ausblicks über die Täler lohnenswert, eine Motorrad-Tour zu machen. Die Wasserfälle, die sich in Asien grosser Beliebtheit erfreuen, wie wir schon in Thailand festgestellt haben, waren viel spektakulärer als wir gedacht haben. Vor allem der mehrstöckige Paradise Waterfall hat und sehr beeindruckt.





Paradise Waterfall







Fansipan



Einen weiteren Wasserfall erreicht man nur über einen kleinen Wanderweg, der einem durch die grüne Landschaft Nordvietnams führt, vorbei an grasenden Wasserbüffeln und einer genialen Aussicht auf die Berge. Interessanterweise sehen die Berge der "vietnamesichen Alpen", wie das Gebirge auch genannt wird, sehr anders aus, als wir es uns gewohnt sind. Die unterschiedliche Zusammensetzung des Gesteinsmaterial und natürlich andere Plattenbewegungen haben bewirkt, dass die Berge auch im Norden Vietnams eher an die Kalksteinfelsen der Halong Bucht erinnern, als an Berge der Schweizer Alpen.
Unser Aufenthalt in Sapa war leider auf zwei Tage begrenzt, da wir uns entschieden haben danach mit dem Bus in die Bac Ha Provinz zu fahren, um dort den bekannten Sonntagsmarkt der Flower H'mong Menschen zu erleben.