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das Mekongdelta aus der Vogelperspektive |
"Vietnam is a country, not a war..."
Viele Menschen aus dem Westen verbinden Vietnam wohl eher mit den Krieg, Zerstörung und Armut als mit Reisen und Ferien. Ich selbst hatte bis etwa 2 Monate vor unserer Ankunft in Hanoi nie einen Gedanken daran verschwendet, geschweige denn Pläne geschmiedet, dieses Land zu bereisen. Alles begann mit der Idee nach Australien, den Teil Thailands zu bereisen, den wir bei unserem ersten Aufenthalt nicht gesehen hatten, den Isan (Nordostthailand). Dann entschieden wir uns bei dieser Gelegenheit auch einen Abstecher nach Kambodscha zu machen, um den Angkor Wat zu sehen. Als unsere Ideen in die eigentliche Planungsphase kamen, und wir eine geeignete Flugroute von Singapur aus nach Asien suchten, erinnerte ich mich, dass ich irgendwann einmal etwas Interessantes über Ho Chi Minh City gelesen habe. Da die Flugpreise Singapur - Ho Chi Minh City lächerlich günstig waren, sind wir ein erstes Mal auf Vietnam aufmerksam geworden. Spätestens als ich den Lonely Planet durchgeblättert habe und so viel Positives gelesen habe, liess mich die Idee nicht mehr los, selbst nach Vietnam zu reisen. Gesagt, getan - es ging alles viel schneller als ich gedacht habe und plötzlich stand ich in Hanoi am Flughafen. Hier wird man bereits ein erstes Mal auf seine Asien-Reisekentnisse getestet, denn die Taxifahrer in Hanoi, die Touristen mit allen möglichen Tricks bescheissen, sind fast schon legendär. Es wird sogar ausdrücklich davon abgeraten, ohne Hotelreservation anzureisen, damit man nicht von zwielichtigen Taxifahrern in so genannte copy cat Hotels gefahren wird. Das bedeutet, dass in Hanoi erfolgreiche Hotels einfach 1:1 kopiert werden, inklusive Aussenfassade, nicht aber der Innenausstattung oder dem Komfort/Service. Jemand, der nicht vorgewarnt wurde, wird sich wahrscheinlich blauäugig beim Taxifahrer bedanken, der behauptet das Hotel XY sei ausgebucht, es gebe aber einen zweiten Ableger mit "viel schöneren" Zimmern.
Wir wurden glücklicherweise direkt vor dem richtigen Hotel abgeladen, mitten im chotischen Old Quarter der Stadt, wo man sich vor Horden hupender Motorrädern in Acht nehmen muss. Aber dieses Quartier strahlt auch eine ungemeine Energie und Lebhaftigkeit aus, die man so nur in Asien findet. Bereits am ersten Abend stand Nudelsuppe, pho bo, auf dem Programm, das Nationalgericht Vietnams. Eine gute Nudelsuppe steht und fällt mit der Boullion, die aus Knochen und jede Menge Gewürzen stundenlang gekocht wird. Die Boullion wird dann mit Reisnudeln, vielen frischen Kräuter, z.B Schnittlauch, Koriander, Frühlingszwiebeln, Thai-Basilikum, Bananenblüten, Mungbohnensprossen und natürlich fein geschnittenem Rindfleisch angerichtet. Wer es gerne etwas würziger mag, mischt nach Belieben Fischsauce, Chili oder Limettensaft unter und fertig ist die beste Nudelsuppe der Welt (für umgerechnet etwa 1.50 Franken)!
Eine weitere Spezialität des Landes ist das frisch gebraute Bier, das bia hoi. Abends sitzen Scharen von junge Vietnamesen auf winzigen Plastikstühlen an den Strassenrändern und trinken eiskaltes Bier für 5'000 Dong, umgerechnet etwa 22 Rappen! Kein Wunder wird es immer lauter, je später die Stunde:-)
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pho bo |
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bahn beo - gedämpfte Reiscakes |
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street food |
Am nächsten Tag gingen wir nach einem Teller
pho zum Frühstück (echt vietnamesisch) auf Erkundungstour in Hanoi. Es ist die älteste Stadt in Südostasien, die Gründung geht auf das Jahr 1010 zurück. Aktuell wohnen etwas mehr als 6 Millionen Menschen in der Hauptstadt und damit auch grössten Stadt Vietnams. Das Herz der Stadt ist der
Hoan-Kiem Lake, an dessen Ufer die Einwohner der Stadt Erholung suchen und sich mit zahlreichen Touristen vermischen, die ebenfalls auf der Suche nach einem ruhigen Plätzchen sind.
Im Gegensatz zur idyllischen Atmosphäre rund um den See steht das alte Quartier der Stadt, auch das Quartier der 36 Strassen genannt, wo die engen Strassen vollgestopft sind mit Läden, Cafés, Verkäuferinnen mit traditionellen Körben und natürlich unglaublich vielen Motorrädern (2 Millionen alleine in Hanoi). Kein guter Ort um einen gemütlichen Spaziergang zu machen, aber dafür umso besser geeignet, Menschen zu beobachten. Ursprünglich war jede der 36 Strassen im alten Quartier auf ein Handelsgut spezialisiert, wie zum Beispiel Schuhe oder Seide, die nur dort verkauft wurden. Heute haben sich die Verkäufer auf die ganze Stadt verteilt, aber es gibt teilweise noch Abschnitte wo man unglaubliche Mengen an Schuhen findet.
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Nachtmarkt im alten Quartier |
Hanoi, wie auch der Rest des Landes, stand zwischen 1873 und 1954 unter französischer Herrschaft und wurde zweitweise auch als Verwaltungzentrum von französisch-Indochina genutzt. Die Vietnamesen haben nebst der Infrastruktur, die vielerorts von den Franzosen erbaut oder verbessert wurde, auch viel Kulinarisches aus Frankreich geerbt. Deshalb findet man an jedem Strassenecken Frauen die
bahn mi, Baguettes, verkaufen. Auch der sagenhaft gute Kaffee, an den vietnamesischen Geschmack angepasst, ist ein französisches Erbe. Es gibt auch architektonische Zeugen der Kolonialzeit, wie zum Beispiel die imposante
St. Joseph's Cathedral mitten in der Stadt. Ich war sehr überrascht, wie liebevoll die Vietnamesen mit diesem reichen Erbe umgehen, angesichts der schwierigen Zeit, in der sie unter fremden Einfluss leben mussten. Dies passt aber sehr gut zum Charakter der Vietnamesen, denn sie sind aufgeweckt, interessiert und weltoffen.
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bahn mi - Baguettes |
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Ca Phe Sua De - Café au Lait |
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petit déjeuner français mit croissants |
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St. Joseph's Cathedral |
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altes Haus im Kolonialstil |
Die über tausend jährige Geschichte hat der Stadt unzählige Tempeln, Pagoden und sonstigen Sehenswürdigkeiten beschert und es ist beinahe unmöglich innerhalb weniger Tage alles zu sehen, auch wenn man sich problemlos ein Taxi leisten kann, um von A nach B zu kommen. Eine der best erhaltensten Bauwerke ist der
Temple of Literature, ein Denkmal, das bedeutenden vietnamesichen Gelehrten aus verschiedenen Bereichen der Wissenschaft gewidmet ist. Für uns stand Mangels vietnamesischer Sprachkenntnisse, die erforderlich wären um die zahlreichen Inschriften zu lesen, vor allem die schöne Architektur im Vordergrund.
Der nächste Tag begann für uns schon um 6 Uhr morgens, als wir uns in Richtung Hoan-Kiem-Lake aufgemacht haben, um den Einwohnern beim morgentlichen Tai Chi zu zusehen. Rund um den See sind sie alleine oder in grossen Gruppen in Dehnübungen oder komplexe Choreographien mit musikalischer Begleitung vertieft und wir werden nur ganz selten überhaupt wahrgenommen. Zu dieser Zeit sind noch fast keine Touristen unterwegs, so dass man für einmal eine andere Seite der Stadt kennenlernen kann. Nach einem Eiskaffe, der uns wieder auf die Beine gebracht hat, beschlossen wir es den Menschen in Hanoi gleichzutun und suchten den anscheindend besten Nudelsuppenladen der Stadt auf, wo von 7 bis 9 Uhr Morgens pho serviert wird. Der Laden läuft so gut, dass die Vorräte innerhalb von 2 Stunden aufgebraucht sind. Punkt 7 Uhr standen wir da, um garantiert einen Teller abzubekommen. Offensichtlich verschlägt es relativ wenig Touristen dort hin, denn wir wurden von allen Seiten gemustert, während wir genüsslich unsere Suppe schlürften!
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fast leere Strassen um 7 Uhr weil... |
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....sie gerade Frühstücken! |
Obwohl das Land offiziell als "sozialistische Republik Vietnam" bezeichnet wird, habe ich erstaunlich wenig sozialistisch oder kommunistische Propaganda oder Ähnliches gesehen. Eine grosse Ausnahme diesbezüglich ist der gigantische
Ho-Chi-Mihn Mausoleum Komplex, etwas ausserhalb der Altstadt. In diesem monumentalen Gebäude, das direkt aus der UDSSR stammen könnte, liegt der Nationalheld, Vorbild und Übervater der Nation in einem Glaskasten aufgebahrt: Ho Chi Minh. Wir sind an einem heissen Tag im Mai, genauer gesagt, dem 1. Mai, mit etwa 10'000 Vietnamesen ungefähr 3 Stunden angestanden, um 15 Sekunden einen Blick auf "ihn" werfen zu können. Leider war uns nicht bewusst, dass der 1. Mai logischerweise auch in Vietnam gefeiert wird und daher etwa zehn Mal so viele Vietnamesen anreisen, um das Mausoleum zu sehen. Das warten inmitten von Einheimischen, die uns verstohlen anschauten und kicherten, war um einiges interessanter als das Mausoleum selbst.
Nach vier intensiven ersten Tagen in Hanoi haben wir uns ziemlich gut eingelebt und freuten uns auf einen 3-tägigen Ausflug zur Ha Long Bay einige hundert Kilometer östlich von Hanoi, wo die Mutter aller Kalksteinformationen auf uns wartete.
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